Beisetzung der besonderen Art

Am Dienstag wurde meine Freundin Jasmin beigesetzt. (erster Beitrag zu ihr)

Es war eine kostengünstige Beerdigung in einem Friedwald.
Es waren Jasmins Betreuer, 6 ihrer Freunde und Bekannten, 2 Arbeitskolleginnen und 3 Vertreter des Pflegeheims gekommen, in dem sie zuletzt gewohnt hat.

Das Ganze fand in einem Friedwald statt und war fern jeglicher Konventionen.
Jasmin wollte keine Trauer und keine schwarze Kleidung, sondern wir sollten normal wie zu ihren Lebzeiten sein. So kamen wir denn auch. Da ihr Tod zu dem Zeitpunkt schon mehr als 4 Wochen zurücklag, hielt sich die große Trauer in Grenzen und wir bemühten uns, ihrem Wunsch gemäß möglichst normal mit der Situation umzugehen.

Jasmins Platz war ein noch jüngerer Ahornbaum, in dessen Umfeld irgendwann einmal 20 Grabstellen sein werden.
Auf dem Weg zum Baum trugen wir alle abwechselnd ihre Urne, hellbeige mit einem grünen hängenden Kleeblatt darauf.

Vor Ort gab es die Möglichkeit, die Urne abzustellen, während eine Freundin eine kleine Rede vorlas. Aber ich hatte die Urne gerade in der Hand und da keiner etwas dagegen hatte, behielt ich sie. Jasmin wurde nicht einfach irgendwohingestellt!

In der Rede wurde Jasmins schwieriges Leben in den Mittelpunkt gerückt und wie sie mit allen Mitteln gekämpft hat, um ihr persönliches Glück zu finden. Letztlich holte sie eine schlimme Krankheit ein (dazu ein anderes Mal), die sie zunächst komplett lähmte und solche Schäden hinterließ, die sie zum dauerhaften Pflegefall machten. Ihr eigenes Leben konnte sie da schon nicht mehr leben. Deshalb sehen viele, auch ich, ihren Tod als Erlösung.

Nun sollte die Urne in das Grab hinabgelassen werden. Die anwesende Försterin sagte: „Das kann ich machen oder, wenn Sie wollen, auch jemand von Ihnen.“
Das kam unerwartet. Aber sehr schnell fasste ich den Entschluss, dass ich das machen sollte. Da kein Einspruch der anderen kam, ging ich mit der Urne, die ich ja ohnehin in der Hand hielt, zum Grab. Unterwegs sortierte ich die Schnur, ich hatte sowas ja noch nie gemacht. Ja, und dann ließ ich die Urne in das Grab hinab und sagte „Tschüß, Jasmin.“ So wie immer.

Danach folgten einige Minuten des Schweigens, in denen jeder nochmal in sich ging. Die meisten haben eine Schippe Erde ins Grab geworfen, die Freundin mit der Rede hatte ein kleines Holzherz mit einem Spruch über Freundschaft dabei, das zu ihrer großen Freude auch mit hinein durfte.
Dann hieß es, Abschied zu nehmen.

Auf dem Weg zurück zum Parkplatz verabredeten wir uns zu einem Treffen in einem Restaurant mit großem Außenbereich, wo wir gut sitzen konnten. Über eine Stunde lang hielten wir uns dort noch auf, einige aßen etwas, alle hatten Getränke. Es wurden reichlich Anekdoten ausgetauscht. Da jeder woanders in Deutschland wohnte bzw. Jasmin auf andere Weise kennengelernt hatte, gab es sehr viel zu erzählen. Oft haben wir gelacht, denn ganz einfach war Jasmin nicht, aber fast alle konnten wir ihr verzeihen. Eigentlich war es, als hätte sie mit uns dort am Tisch gesessen.

Ich werde sie nie wieder sehen. Aber genau genommen waren normale Gespräche und Unternehmungen mit ihr schon seit über 4,5 Jahren nicht mehr möglich.
Die Besuche bei ihr waren leider selten, wie vorher auch. Sie kam meistens zu uns.
Wenn wir bei ihr waren, ging es meist um kleine Katastrophen – Situationen, in denen normalerweise die Eltern und Geschwister helfen. Jasmin hatte den Kontakt zu ihrer Familie aber schon vor langer Zeit abgebrochen. Und so sagte sie oft, wir wären ihre Ersatzfamilie.
Wenn sie zu uns kam, waren wir aber Freunde. Wir haben einiges unternommen, Konzertfahrten, Kinobesuche, Forentreffen, Urlaube im Zelt, Skip Bo bis zum Umfallen! Wir wohnten auch 2 Jahre zusammen (Anfang der 2000-er), aber das ging auf die Dauer wegen ihrer Borderline-Störung nicht gut.

Manchmal ist der Kontakt auch eingeschlafen. In 21 Jahren (sie hatte es erst vor kurzem ausgerechnet), in denen wir uns kannten, passiert viel und nicht immer geht man jeden Weg zusammen. Aber wir haben immer wieder zusammengefunden und letztlich war es für Jasmin eine Freundschaft auf Lebenszeit. Ich hätte mich gefreut, wenn es für mich auch so gewesen wäre.

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4 Kommentare zu „Beisetzung der besonderen Art

  1. Um den aktuellen Eintrag mit Jasmin zu verstehen, müsste ich diesen Blogtext lesen. Natürlich gefällt mir nicht, was da passiert ist. Aber es berührt, wie Du es geschrieben und was Du empfunden hast.

    Ich bewundere Dich, für das was Du alles bereits an Dir selbst und im Umfeld erleiden musstest. Denn eines ist auch klar: Der Umgang mit dem Tod eines Menschen ist schwerer für den, der zurück bleibt, wie für den, der gestorben ist.

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  2. Wenn man einen Menschen mit all seinen Ecken und Kanten schätzt, dann ist das wahre Zuneigung.

    Ein Geschenk, dass Du zwar verloren hast, doch zumindest für einen großen Zeitraum erleben durftest. Das wiederum ist auch ein Geschenk!

    PS: Wieder mal die Autokorrektur – denn ich müsste nicht den Blogeintrag uber Sabine lesen, sondern ich musste – besser gesagt: ich habe.

    😁

    Gefällt 1 Person

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