Nachdem ich euch im letzten Beitrag die Theorie der Bauchfelldialyse erklärt habe, ist heute die Praxis dran.
Richtige Probleme mit der Bauchfelldialyse hatte ich nur wenige.
- In der ersten Zeit war mein Exit (die Stelle, wo der „Schlauch“ aus dem Bauch kam) dauernd verkrustet und gerötet, weshalb ich oft zur Kontrolle und Pflege ins Dialysezentrum musste. Alle zwei Tage sollte ich den Verband für den Exit wechseln. Der ständige Kontakt mit Desinfektionsmittel bekam ihm aber gar nicht. Also verlängerte ich die Zeit eigenmächtig schrittweise und als ich bei einer Woche angekommen war, waren Kruste und Rötung weg. Ab da brauchte nur noch alle 6 Wochen zur Kontrolle gehen.
- Außerdem hat mir das Auslassen der Flüssigkeit weh getan, wenn der Bauch schon fast leer war. Ich habe dann nach ein paar Wochen einfach den Auslauf vorzeitig gestoppt, wenn es anfing zu ziepen, und gleich die neue Flüssigkeit eingelassen.
- Ein paar Monate vor dem Ende der Bauchfelldialysezeit bekam ich die gefürchtete Bauchfellentzündung, mitten im Urlaub. Ich landete im Krankenhaus. Letztlich machte sich die jahrelange Migräne wohl bezahlt, denn die Schmerzen der Bauchfellentzündung ließen sich für mich besser ertragen als die im Kopf.
Die Zeit im Bad (während der vier täglichen Beutelwechsel, die jeweils bis eine halbe Stunde dauerten) habe ich mir mit Kreuzworträtseln, Sudoku und Tabletspielen vertrieben, manchmal auch telefoniert. Außerdem lief fast immer das Radio (ich war 7 Jahre lang bestens über deutsche Schlager informiert). Irgendwann langweilte es trotzdem alles, der Alltag drehte sich nur noch um die Dialyse und ich wurde langsam depressiv.
Ganz so einfach, wie es sich erstmal anhört, war es leider nicht. Es ist halt eine Dialyse! Ich werfe euch mal ein paar Stichworte um die Ohren.
Arbeiten?
Ich habe es einige Zeit getan. In Teilzeit, weil es keine Möglichkeit für einen Beutelwechsel auf der Arbeitsstelle gab. Die Intervalle für die Beutelwechsel waren durch die 6 Stunden, die ich wegen der Arbeit weg war, echt knapp bemessen. Ich war abends oft so kaputt, dass ich nicht mehr lange genug wach bleiben konnte für den letzten Beutelwechsel. Also musste ich nachts nochmal raus. Dann konnte ich dann oft nur schwer wieder einschlafen. Das hat mich auf die Dauer wirklich geschafft! Aus diesem und verschiedenen anderen Gründen habe ich das Arbeiten damals aufgegeben.
Lieferung?
Ja, irgendwoher musste der ganze Kram für die Dialyse ja kommen! Alle 2 Wochen bestellte ich, was ich brauchte (in 7 Jahren einmal verpasst – tierisches Theater!), und dann kam jeweils eine Woche später – mittwochs – die Lieferung. Eine feste Zeit gab es nicht, was die Planung der Beutelwechsel echt schwierig machte.
Der Lieferant nahm dann auch den recycelbaren Müll wieder mit – pro Tag einen Karton und einen Kunststoffbeutel (wie auf dem ersten Bild unten sichtbar). Macht 14 Kartons und 14 Kunststoffbeutel (diese gesammelt in zwei großen Kunststoffbeuteln). Der Rest (die Schläuche und der Beutel, in den die Flüssigkeit lief, sowie Handschuhe, Mundschutz, Desinfektionskappen, Papierhandtücher) wanderte in den Restmüll. Das ergab pro Tag einen großen Mülleimer (25 Liter). Ich habe mir in der Zeit die Gedanken über Müllreduzierung abgewöhnt.
Einkaufen und sowas?
Wurde alles dem Rhythmus der Beutelwechsel angepasst.
– „Wir müssen noch eine Stunde warten, dann kann ich wieder einen Beutelwechsel machen. Sonst verschiebt sich alles, bis wir wieder da sind, und ich muss nachts raus.“
– „Wann müssen wir morgen genau los? Ich muss eine halbe Stunde früher aufstehen, also brauche ich die genaue Uhrzeit.“
– „Ich kann jetzt nicht länger weg, in einer bis zwei Stunden muss ich einen Beutelwechsel machen, sonst hauen die restlichen nicht hin und ich muss vielleicht nachts extra aufstehen.“
– „Ja, ich kann dich besuchen, aber ich muss um 18 Uhr wieder zu Hause sein wegen Beutelwechsel. Wird nix mit Abendessen.“
Abendessen war immer ein neuralgischer Punkt, auch wenn ich mal ins Restaurant eingeladen wurde. Ein Wechsel nachher, einer vorher, die beiden davor richteten sich nach denen am Abend, damit auch alle Tagesaktivitäten. Und wehe, ich war zu Kaffeetrinken UND Abendessen eingeladen, das ging gar nicht.
Urlaub?
– Langfristig vorher organisieren. Gibt es jemanden, der die Kartons mit den Flüssigkeitsbeuteln in Empfang nehmen kann? Oder nehmen wir sie selber mit?
– Sämtliches Zubehör einpacken (Heizplatte, Seife, Desinfektionsmittel, Einmalhandtücher, Mullpads, Pflaster, Duschpflaster, Schere, Infusionsständer mit Halterung für den Diffusor und den Diffusor selbst, Werkzeug zum Zerlegen des Ständers, die Waage für das Dialysat, den Protokollhefter, Kuli, Blutdruckmessgerät und für die Anzahl der Tage Mundschutz und Handschuhe). Anders als im Film aus dem letzten Beitrag hat mein Lieferant nämlich keinen „Kleinkram“ an den Urlaubsort geliefert.
– extra Zimmer für mich, in dem es nicht zieht, in dem es warm ist, in dem ich meine Dialysesachen aufbauen kann
Treffen mit Freunden oder Familienfeiern?
Vorher Beutelwechsel, nachher Beutelwechsel. Wenn der Treffpunkt bei uns zu Hause war und das Treffen länger dauerte, konnte es vorkommen, dass ich mich entscheiden musste: Gespräch verlassen und „draußen“ sein oder nachts nochmal für einen Beutelwechsel aufstehen? Das Selbe kam bei spontanen Besuchen vor. Manchmal kann es einfach schön sein und man möchte den Moment genießen… Ich bin oft auf den Pobacken hin- und hergerutscht und musste dann doch mittendrin für den Beutelwechsel weggehen. Wenn ich wiederkam, war das Gespräch eine halbe Stunde „weiter“ und ich gehörte nicht mehr richtig dazu. Bis ich mich wieder reingefunden hatte, war das Treffen oft zu Ende.
Schönheit? Für Frauen ein wichtiges Thema. Für mich, obwohl Frau, vorher nie eins. Praktisch-sportlicher Typ, (zu) schlank, fertig. Das hat sich dann aber geändert.
– Gewicht: Plötzlich wurde ich ständig angesprochen, ob ich schwanger sei. An der Kasse im Supermarkt bekam ich vor Weihnachten ein zusätzliches Geschenk, weil „wir ja bald zu dritt“ sind. Ich wog mit Füllung im Bauch knapp 50 Kilo und sah aus wie im 6. Monat. Am Ende der Dialysezeit wog ich mit Füllung 76 Kilo und sah immernoch genauso schwanger aus. Bauchumfang 102 cm.
– Fingernägel: Aus Hygienegründen kurz und ohne Lack.
– Haare: Die letzten beiden Jahre der Dialysezeit massiver Haarausfall.
– Haut: Ständig juckend und an besonders schlimmen Stellen aufgekratzt und vernarbt.
Allgemeines Wohlbefinden?
Anfangs ging es mir mit der Bauchfelldialyse wirklich gut. Die Blutwerte waren entsprechend und so hätte es bleiben können. Aber das Bauchfell vernarbte mit der Zeit und arbeitete bei der Entgiftung immer weniger effektiv. Das schlug sich auch in den Werten nieder So musste ich in den letzten zwei, drei Jahren immer mehr Medikamente nehmen (die natürlich auch Nebenwirkungen hatten), es juckte mich am ganzen Körper, meine Beine wurde besonders nachts unruhig, zuckten immer wieder und juckten und brannten ohne Ende. Oft war an Schlaf nicht zu denken, Schlafstörungen hatte ich ohnehin schon zusätzlich. Meine Leistungsfähigkeit ließ nach, ich war sehr oft müde, schlief zusammengenommen mehr als 10 Stunden und konnte mich kaum noch länger auf etwas konzentrieren. Selbst PC-Spiele waren kaum noch machbar.
Als das Telefon dann klingelte und ich erfuhr, dass es eine Niere für mich gab, fühlte ich mich gar nicht mehr in der Lage zu einer so großen OP. Aber dazu komme ich beim nächsten Mal.
Zum Abschluss habe ich noch ein paar Fotos für euch.
Hier mein „Arbeitsplatz“ für die Beutelwechsel:
Vorrat an Dialyseflüssigkeit für ca. 2 Wochen:
Notwendiger Kleinkram, der immer benötigt wurde:
Das sind Desinfektionskapseln zum Aufschrauben auf das Schlauchende, Mund- und Nasenschutz, Gummihandschuhe, Pflaster, Mulltupfer, verschiedene Desinfektionsmittel, der Ordner mit den gesammelten Protokollen, Bestellzetteln usw.
So, beim nächsten Mal komme ich zum Ende der Bauchfelldialyse, das ziemlich abrupt eintraf, und was danach geschah.
Wer die vorigen Beiträge zu diesem Thema verpasst hat, kann sie und alle weiteren unter Meine Nierengeschichte finden.