Hausgeschichten

Also in so einem Mietshaus zu leben, ist schon eine spannende Sache. Vor allem, wenn man das Hausmeisterpaar ist.

Seit über einem Jahr unterhalte ich mich mit meiner (inzwischen Ex-)Therapeutin, die ihre Praxis direkt über mir hat, via Telefon oder auch persönlich über unsere Haustür – die Neverending Story. Die neue wurde vor ca. einem halben Jahr eingebaut. Erst ging der Summer nicht und der Elektriker hat den Putz wieder aufgekloppt, woraufhin die erste Firma wiederkam und die Löcher in der Wand wieder zugeschmiert hat. Die Löcher vom Rahmen der vorhergehenden Tür im Boden habe ich aus Verzweiflung selber mit Mörtel gefüllt, damit die Ratten nicht reinkommen konnten. Die Hausverwaltung hat nicht reagiert. Der Putz um die Haustür herum ist noch blank zu sehen, bröselt vor sich hin und ist nicht gestrichen, aber egal, Hauptsache, es ist überhaupt eine Tür da!

Seit ca. einer Woche ist die Tür so verzogen, dass der Schnapper nicht mehr funktioniert. D.h. der Summer summt, die Leute werfen sich gegen die Tür, aber sie geht nicht auf. Ich spiele öfter mal Türöffner seitdem. Ich habe bei der Hausverwaltung angerufen und das Problem geschildert. Sagt die gute Frau zu mir, sie hätte das schon an den Hausmeister weitergeleitet. Schön! „Das können Sie komplett vergessen, der Hausmeister ist mein Mann und kein Elektriker! Und verzogene Türen richten kann er auch nicht! Das muss eine Firma machen!“ Meine Ex-Therapeutin hatte ihr wohl auch schon die Hölle heiß gemacht, denn zwei Therapiepraxen befinden sich im ersten und zweiten Stock und die Therapeuten müssen jedes Mal die Treppe runter, um ihren Patienten die Tür zu öffnen, wenn ich den Summer gerade nicht gehört habe. Ich bin gespannt, wann da was repariert wird. Bis dahin liegt tagsüber ein Keil in der Tür, damit sie nicht zufallen kann. Tag der offenen Tür. Weil die netten Leute hier im Haus den Keil in der Tür immer wieder beiseite geschoben haben, habe ich also noch einen Aushang gemacht und ihnen die Misere erklärt. Danach hat’s funktioniert, immerhin.

Die Restmülltonne haben wir mittlerweile direkt an die Eingangstür gestellt, weil vorne an der Straße, wo sie sonst steht, immer fremde Leute ihren Müll darin entsorgt haben. Große schwarze Säcke, also nicht nur mal eben eine Zigarettenschachtel. Aber auch hier kennt man wohl keine Grenzen, heute war ein neuer großer schwarzer Sack drin und ich war erbost. So sauer kenne ich mich gar nicht, aber das war auch dreist! Direkt neben der Haustür, dafür musste dieser Jemand auf’s Grundstück gekommen sein und die Tonne gesucht haben! Ich habe also Mülldetektiv gespielt, den Sack aufgeknöpert und den Inhalt inspiziert. Verschimmelte Kartons aus irgendeiner letzten dreckigen Ecke. Viiiiel Küchenpapier. Eine leere Flasche Ramazotti. Der Inhalt von Aschenbechern. Kronkorken. Und Rechnungen, teilweise noch mit Bestellabschnitten. Treffer! Ein Restaurant an einem Sportclub im Nachbarort! Ich habe sofort dort angerufen, wurde zum Chef weitergeleitet, der von nix wusste – klar! -, und bin fast durch’s Telefon gesprungen vor Wut. So eine Frechheit! Auf jeden Fall wird von dort kein Müll mehr kommen, da bin ich ziemlich sicher! Wir hatten hier schon Sonderleerungen, weil unser Müll schon eine Woche vor der Leerung nicht mehr in die Tonne passte. Bezahlt haben wir das als Mieter, ist klar. Nee, da war ich wirklich richtig sauer!

Ich bin nun sehr gespannt, ob das Müllthema nun geklärt ist (ich habe den leisen Verdacht, dass da noch jemand anders mit illegaler Entsorgung am Werke ist) und wann ich mich mit meiner Ex-Therapeutin über eine funktionierende Tür freuen kann. Früher ging ich zu ihr, um mit ihr über meinen Frust zu sprechen. Jetzt ruft sie mich an, um mit mir über ihren Frust zu sprechen. Schön!

Habt alle einen schönen Sonntag

Die totale Entspannung

Nachdem ich nun akzeptiert habe, dass ich „nicht normal“ bin bzw. sein kann, geht es mir gleich mal viel besser. Meine Psychotherapie schließe ich demnächst offiziell ab, aber eigentlich sind wir schon fertig. Die Kindheitstraumata durch die Lieblosigkeit der Eltern, speziell der Mutter, die Konkurrenz mit der Schwester, die dadurch folgenden Probleme – durchleuchtet und besprochen.

Trotzdem blieb eine große Frage im Raum: Warum fühle ich mich immer so anders als andere? Diese Frage konnte mir die Therapeutin nicht beantworten. Sie ist spezialisiert auf Traumata durch schwere Erkrankungen und die sogenannte „Schwarze Pädagogik“. Hat ja auch gepasst. Und ich glaube, die Arbeit daran und das Verarbeiten hat mir erst die Möglichkeit geschaffen, mich dem eigentlichen Thema zuzuwenden und das verkraften zu können.

Die Antwort auf die große Frage lautet: Neurodivergenz. Es gibt neurotypische Menschen – ich würde mal sagen, die große Masse gehört dazu. Und dann gibt es noch die, die irgendwie anders ticken. Die manchmal „komisch“ zu sein scheinen, die so direkt sind, dass es schon unhöflich ist, die vergesslich sind, unpünktlich, laut, hibbelig, zurückgezogen, schnell gereizt oder überreizt. Das sind die, die mit den typischen Lebensweisen nicht klar kommen. Und dazu gehöre ich.

Meine großen Themen sind ADS (hyperaktiv bin ich nicht, aber ich habe eine Aufmerksamkeitsstörung), Hypersensibilität und Autismus. Diese drei widersprechen sich öfter mal, was mein Leben in einer neurotypischen Welt zu einem Kampf macht.

Ich habe mich jetzt ausgeklinkt. Wenn ich müde bin, schlafe ich. Wenn ich Hunger habe, esse ich. Alles andere rankt sich drumrum. Manchmal weiß ich nicht, welchen Tag oder welches Datum wir haben. Manchmal schlafe ich mit kleinen Unterbrechungen zehn, zwölf Stunden, um 6 Stunden später wieder müde zu sein. Aber… so ist es gut. Ich brauche gerade ganz viel Ruhe und vor allem Schlaf. Ich muss verarbeiten. 52 Jahre meines Lebens habe ich versucht, ein neurotypisches Leben zu leben. Mich gezwungen, mich einem Rhythmus anzupassen, der nicht meiner ist. Jetzt ist damit Schluss. Jetzt gebe ich mir die Chance, meinen Rhytmus zu finden. MICH zu finden. So, dass ich meinen drei großen Themen gerecht werde, aber auch das Leben an sich bewältigen kann.

Vielleicht erstelle ich einen extra Themenblog über mein Leben mit der Neurodiversität. Mal gucken. Viele Projekte zu haben, gehört zum ADS dazu. Leider auch, sie nicht immer zum Ende zu bringen oder regelmäßig zu verfolgen. Ihr erlebt es ja schon hier.

Liebe Grüße

AD(H)S

Mein diesjähriges Weihnachtsgeschenk für mich ist der Termin zur Diagnose im März. Da kamen ein paar tolle Zufälle zusammen und ich bin so froh, dass ich mir diesen Termin so schnell und kurzfristig schenken konnte!

Was es damit auf sich hat und warum schon allein die Erkenntnis, an ADS zu leiden, so wichtig für mich ist, dazu schreibe ich was, wenn ich alles im Kopf sortiert habe.

Aber heute ist Weihnachten, „Wiehnachts Hielich Ohmd“, wie einige meiner leider bereits verstorbenen Vorfahren sagen würden, und ich wünsche euch allen ein schönes, gemütliches Weihnachtsfest! Je nach Wunsch pompös oder ganz bescheiden – Hauptsache, ihr fühlt euch wohl in eurer Haut und findet innere Ruhe.

Liebe Grüße an alle hier!